GUGL: Gut und gemeinsam leben
GUGL – das Projekt
Sendenhorst und Albersloh sind beliebt bei jungen Familien. Dennoch wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung verändern. Durch das Aufrücken der großen Babyboomerjahrgänge (1955 – 1964) und eine höhere Lebenserwartung wird auch in Sendenhorst und Albersloh bis zum Jahr 2040 jeder Dritte über 65 Jahre alt sein und jeder Achte sogar über 80 Jahre. Das wird zu Veränderungen der Bedarfe in den Orten und Wohnquartieren führen.
2018 wurde das Projekt GUGL ins Leben gerufen: Gut und gemeinsam leben in Sendenhorst – in jedem Alter!
Ziel des Projekts GUGL ist es, die Voraussetzungen für ein gelingendes Altern in Sendenhorst und Albersloh zu schaffen und dabei die Bedürfnisse aller Altersgruppen – junge wie alte – in den Blick zu nehmen. Bei dieser großen gemeinsamen Gestaltungsaufgabe geht es um Lebensqualität, Teilhabe am öffentlichen Leben und Selbstbestimmtheit der heutigen Älteren und der (jetzt noch) jüngeren Bevölkerungsgruppen.
Getragen wurde das Projekt von der „Heinrich und Rita Laumann-Stiftung“ in enger Kooperation mit der Fachhochschule Münster (wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Mirko Sporket, Fachbereich Sozialwesen), der Stadt Sendenhorst, dem Pflege- und Betreuungsnetzwerk der St. Elisabeth-Stift gGmbH und dem St. Josef-Stift.
Groß angelegte Bürgerbefragung als wichtige Planungsgrundlage für die Stadt
Das GUGL-Projekt verlief in mehreren Projektphasen, wobei der größte Baustein Anfang 2019 eine groß angelegte schriftliche Bürgerbefragung war zu Potenzialen und Bedarfen in den Themenfeldern Wohnen, Teilhabe, Gesundheit, Infrastruktur, Bürgerschaftliches Engagement und Freizeit.
Ende Januar 2019 wurden insgesamt 6.300 Haushalte von der Stadt Sendenhorst angeschrieben. Bis Ende Februar kamen 2.298 beantwortete Fragebögen ausgefüllt zurück, so dass die Ergebnisse als repräsentativ gelten. Zusätzlich gab es noch eine Kinder- und eine Jugendbefragung, die als Online-Befragung durchgeführt wurde. Die Auswertung der Ergebnisse übernahm der Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Münster.
Ergebnisse der Bürgerbefragung
Die überwiegende Mehrheit der Sendenhorster und Albersloher fühlt sich in ihrer Stadt wohl und lebt gerne hier. Es gibt eine starke Verbundenheit zum Wohnort, die sich in hohem bürgerschaftlichen Engagement zeigt und ein großes Potenzial bietet, um gemeinsam mit den Bürgern Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in Gang zu bringen.
Die Ergebnisse in den einzelnen Themenfeldern:
Die Wohnsituation der älteren Bürgerinnen und Bürger bewegt sich im Spannungsfeld der emotionalen Bindung an das eigene Haus einerseits und der zunehmenden Belastung der Instandhaltung andererseits. Die meisten Sendenhorster wollen in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben, gefolgt von Konzepten wie Betreutes Wohnen oder eine Wohngemeinschaft mit Freunden. Erst an letzter Stelle wird der Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung genannt. Zu Wohnformen im Alter wie z.B. Mehrgenerationenwohnen, Alten-WGs oder Demenz-WGs, oder auch zu technischen Hilfen wie ambient assisted living (smart home) besteht ein sehr großer Informationsbedarf, dem mit Infoabenden begegnet werden könnte. Ganz konkret äußerten Bürger auch das Fehlen von bezahlbaren barrierefreien Wohnmöglichkeiten in Sendenhorst. Der altengerechte Umbau der eigenen Wohnung, aber auch die Vernetzung von professioneller Pflege mit ehrenamtlichem, familiärem und nachbarschaftlichem Engagement bieten Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Situation von älteren Menschen und ihren pflegenden Angehörigen.
Ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger engagiert sich ehrenamtlich, und ein weiteres Drittel könnte sich ein Engagement vorstellen. Aber: Es fehlt an Information und Koordination. Abhilfe schaffen könnten hier eine Ehrenamtsbörse als digitale Plattform und/oder eine konkrete Anlaufstelle, wie z.B. eine Ehrenamtskoordination. (Nachtrag: Im Jahr 2020 hat die Stadt Sendenhorst eine Ehrenamtskoordinatorin eingestellt.)
Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Sendenhorst und Albersloh fühlt sich sozial gut integriert. Gerne mehr Kontakt zu Menschen an ihrem Wohnort wünschen sich insbesondere ältere und neu zugezogene Bürger. Konkrete Vorschläge sind etwa ein Neubürgerfest, Hausbesuche, Stadtführungen für Zugezogene, Stadt- und Nachbarschaftsfeste oder auch Patenprogramme, die auf ehrenamtlicher Basis insbesondere Menschen mit erhöhtem Einsamkeitsrisiko besuchen oder sie zu Veranstaltungen und Festen begleiten.
Die Lösung der überörtlichen Verkehrsprobleme (Stichwort Ortsumgehung, ÖPNV) sprengen den Rahmen des GUGL-Projekts. Gleichwohl wird aus der Befragung ersichtlich, dass sich die Bürger für eine sichere Mobilität mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer wünschen. Vorhandene Alternativrouten abseits der stark befahrenen Hauptstraßen könnten in entsprechenden Karten publiziert werden. Verbesserungen für Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollator seien auch durch ebenen Untergrund sowie abgesenkte Bordsteine erreichbar.
Ausblick und Fazit der Bürgerbefragung
In nahezu allen Themenbereichen zeichnet sich ein großes Bedürfnis nach einem einfachen Zugang zu aktuellen und zielgruppenspezifischen Informationen ab. Möglicherweise lassen sich Informationen der verschiedenen Bereiche auf einer Art „digitalem Dorfplatz“ zusammenführen.
Darüber hinaus legte die Befragung die Notwendigkeit langfristiger Entwicklungsprojekte offen, die von anderen Akteuren vorangebracht werden müssten. So etwa die Umsetzung von alternativen Wohnprojekten im Alter, die Lösung übergeordneter Verkehrsproblematiken (z.B. Ortsumgehung, Lkw-Durchgangsverkehr, Verbesserung des ÖPNV, WLE) oder auch die Sicherung der haus- und fachärztlichen Versorgung.
- Alle Ergebnisse finden Sie hier: Download Bürgerbefragungsergebnisse
Bürgerwerkstätten und konkrete Projekte
Auf der Basis der Befragungsergebnisse konnten sich im Frühjahr 2019 Menschen, Vereine und Institutionen in Bürgerwerkstätten mit ihren Ideen zur Verbesserung der Lebensqualität in Sendenhorst und Albersloh beteiligen. Im Anschluss erarbeiteten daraus Studierende der Fachhochschule Münster konkrete Projekte, die sie in intensiver Zusammenarbeit mit der Seniorenberatung, der Stadt Sendenhorst, den Einrichtungen der St. Elisabeth-Stift gGmbH und zahlreichen anderen Gruppierungen in Sendenhorst und Albersloh entwickelten. Ein zentraler Aspekt und zugleich der rote Faden in den Projekten ist die Tatsache, dass viele Sendenhorster und Albersloher zwar grundsätzlich zufrieden mit dem Leben in ihrer Stadt sind, aber vor allem ältere und neu zugezogene Bürgerinnen und Bürger treibt das Thema Einsamkeit und Kontakteknüpfen um.
Die Studierenden stellten Ende Januar 2020 vier Projekte der Öffentlichkeit vor. Die Projekte im Einzelnen:
Trotz vielfältiger Teilhabemöglichkeiten in der Stadt fühlt sich ein nicht unerheblicher Teil der älteren Bürger tendenziell einsam oder isoliert. Eine Studierendengruppe entwickelte daraus das Projekt „Dein Anschluss unter dieser Nummer“. Dabei handelt es sich um ein von geschulten Ehrenamtlichen betreutes Telefonprojekt, bei dem ältere Menschen anrufen können, ein offenes Ohr finden und in Kontakt kommen können. Interessierte Anrufer sollen zudem die Möglichkeit der Information über Seniorenangebote in der Stadt haben und diese im Idealfall auch in Begleitung eines „Paten“ besuchen können. Für die Umsetzung sind neben der Unterstützung durch die Laumann-Stiftung auch zusätzliche Projektgelder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beantragt. Als ein erster Anfang und sozusagen als Notfallhilfe für coronabedingt vereinsamte Menschen startete Anfang 2021 das Telefonprojekt „Offenes Ohr“.
Ein zentraler Punkt ist die Stärkung des Ehrenamtes, das heute für viele keine Lebensaufgabe mehr ist, sondern eher ein zeitlich befristetes, freiwilliges Engagement. Somit haben die Studierenden ganz bewusst den Namen „Zeitgeschenk“ gewählt. Viele Sendenhorster und Albersloher engagieren sich bereits ehrenamtlich und wollen das laut Umfrage auch künftig tun. Es fehlt aber an Information und Koordination. Auch deshalb hat die Stadt die Stelle eines hauptamtlichen Ehrenamtskoordinators ausgeschrieben und diese Stelle 2020 besetzt. Die Studentinnen, die sich dem „Zeitgeschenke“-Projekt widmen, wollen unter anderem das Ehrenamt stärker in den Blick der Öffentlichkeit rücken. Dazu erarbeiten sie gemeinsam mit den Westfälischen Nachrichten eine Serie, in der Ehrenamtliche vorgestellt werden. Sie hoffen, dass dabei möglichst viele mitmachen und über ihr Engagement berichten – damit andere es ihnen nachmachen. Ehrenamt sei wichtig als Nachschub und Treibstoff für die örtlichen Vereine.
Daneben wollen die Studenten einen „Runden Tisch“ einrichten, an dem sich Vertreter der ehrenamtlich Engagierten austauschen, sich vernetzen und neue Ideen entwickeln.
Auch bei den Jugendlichen gibt es – laut Bürgerbefragung – ein großes Potenzial für Engagement. Jugendliche würden zudem gerne mehr mitbestimmen. Beide Aspekte werden in dem Projekt YounGold vereint, das über Wissensweitergabe und gemeinsame Aktivitäten den Austausch zwischen den Generationen fördern will. Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahren können sich dafür kleine Projekte überlegen, mit denen sie Älteren an vier bis fünf Terminen einen Einblick in ihre Lebenswelt geben. Was gemacht werden soll, entscheiden die jungen Menschen, die Älteren sind zum Mitmachen eingeladen. Vorstellbar seien Themen wie zum Beispiel Kochen, Spielen, Kurzfilme drehen, Graffitis erstellen oder Ähnliches. Dieses Projekt soll in Kooperation mit den Jugendtreffs und der Realschule St. Martin umgesetzt werden.
Eine weitere Gruppe der Studierenden plant die Organisation eines „Neubürgerfests“, zu dem alle Sendenhorster und Albersloher eingeladen werden sollten. Termin soll der 29. Mai sein, offizieller Tag der Nachbarn. Zielgruppe sind alle (Neu-)Bürgerinnen und Bürger, Familien und Einzelpersonen, die in den vergangenen zwei bis fünf Jahren nach Sendenhorst und Albersloh gezogen sind; aber auch die „Alteingesessenen“, die ihre neuen Nachbarn über ihren Ort informieren oder für das Mitmachen in einem der Vereine oder Institutionen begeistern möchten. „Es geht uns um die Integration der Neubürger und darum, Sendenhorst als Gemeinschaft zu stärken“, erklärten die Studentinnen. Ideen für ein Programm stehen bereits. Die Umsetzung sollte in Kooperation mit der Stadt, den örtlichen Vereinen und Institutionen erfolgen.
Die Umsetzung der Projekte war mit Ausbruch der Corona-Pandemie kurz nach der Projektpräsentation leider nicht mehr möglich.