Das gute Gefühl, gebraucht zu werden
Gesundheitstag zum Thema (Gem)Einsamkeit: Engagierte Menschen leben länger
Was ist Einsamkeit? Einsam oder einfach nur allein? Mit dieser Frage machte Prof. Mirko Sporket deutlich, dass Einsamkeit schwer zu fassen ist und individuell sehr verschieden sein kann. So schön es ist, Zeit für sich zu haben, so nagend kann das Gefühl von Einsamkeit sein. Und: Einsamkeit kann jeden treffen. Zwar ist das Einsamkeitsrisiko in höherem Alter über 80 Jahre deutlich größer, aber eine neuere Tendenz zeigt auf, dass seit der Coronazeit immer mehr Kinder und Jugendliche unter großer Einsamkeit leiden.
Diese und viele andere Fakten rund um den „Wert sozialer Beziehungen“ präsentierte der münsterische Fachhochschuldozent beim Sendenhorster Gesundheitstag, zu dem die Heinrich-und-Rita-Laumann-Stiftung in Kooperation mit dem Seniorenbeirat in das St. Josef-Stift eingeladen hatte. Soziale Gemeinschaft, Freundschaften und Kontakte sind etwas zutiefst Menschliches und waren für das Überleben der Menschheit ein evolutionärer Vorteil. Und auch heute belegen Studien, dass Menschen mit einem großen sozialen Netzwerk aus Lebenspartnern, Familie, Freunden, Nachbarn, Arbeits- und Vereinskollegen einen deutlich besseren Gesundheitszustand, eine höhere Lebenszufriedenheit und ein geringeres Demenzrisiko haben. Sporket bezeichnete dieses Unterstützungsnetzwerk als „soziales Kapital“, das bis ins junge Erwachsenenalter stark wächst und später durch Scheidung, Verwitwung, Krankheit, Pflege von Angehörigen oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben langsam schrumpft. In späteren Lebensphasen bleiben zwar weniger, dafür aber meist enge Kontakte bestehen.
Risikofaktoren für Vereinsamung sind zudem die Individualisierung in der modernen Gesellschaft. „Teilhabe ist heute eine Eigenleistung und ergibt sich nicht mehr natürlicherweise dadurch, dass man in traditionelle Strukturen hineingeboren wird und ihnen lebenslang treu bleibt.“ Verstärkt werde dieser Trend durch die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten und die Digitalisierung von sozialen Beziehungen durch soziale Kommunikationsplattformen: „In der Coronazeit hat es vielen Menschen geholfen, Einsamkeit zu vermeiden. Heute ist es Fluch und Segen zugleich.“
Wann wird Alleinsein zur Einsamkeit? „Wenn die Zahl der gewünschten Beziehungen nicht mehr im Einklang steht mit den tatsächlichen Beziehungen, dann wird es schwierig“, gab der Soziologe Sporket eine Definitionshilfe. Einsamkeit kennt jeder Mensch, zum Problem wird es, wenn die Einsamkeit zum Dauerzustand und vom Betroffenen selbst als negativ empfunden wird. Sporket zeigte auch Wege aus der Einsamkeit: „Gemeinschaft beglückt und hält die seelische Balance im Gleichgewicht. Das Gefühl, gebraucht zu werden, hat viel mit Anerkennung und Wertschätzung zu tun. Deshalb fühlen sich Menschen, die sich engagieren, am wenigsten einsam.“ Sein Tipp: „Pflegen Sie Kontakte, besuchen Sie Veranstaltungen, seien sie aufmerksam für einsame Menschen in Ihrer Nachbarschaft und engagieren Sie sich – es tut gut, gebraucht zu werden.“
Markus Giesbers verwies in diesem Zusammenhang auf den bevorstehenden Bau des „Heinrich-und-Rita-Laumann-Hauses“, in dem ein Ort für Begegnung entstehen wird. Aber auch die Seniorenberatung der Laumann-Stiftung ist eine Anlaufstelle, die Hilfe und Rat bietet, um Einsamkeit zu überwinden.